Kloster Kirchberg - Kloster Kirchberg

Das Duo Zwischen mit den beiden Violinisten Annika Spegg und Robert Rülke gestaltet am 26. Oktober eine Kirchberger Klostermusik im Berneuchener Haus Kloster Kirchberg in Sulz am Neckar.

Im Mittelpunkt ihres Programms „Wanderer, es gibt keinen Weg, Weg entsteht im Gehen“ steht das letzte vollendete Werk Luigi Nonos »Hay que caminar« soñando für zwei Violinen. Der Titel des intimen, ruhigen Werkes verweist auf ein Gedicht von Antonio Machado namens caminante no hay camino. Einer der Verse dieses Gedichts lässt sich in etwa übersetzen mit „Wanderer, es gibt keinen Weg, Weg entsteht im Gehen”. Der Titel des Duos zieht eine Schlussfolgerung aus Machados Gedicht: „Man muss gehen” (´Hay que caminar’) und der Komponist fügt noch den Zusatz „träumend” an. Am Ende seines Schaffens vollzieht Nono einen radikalen Stilbruch von agitatorischer und offensiv antifaschistischer hin zu äußerst leiser, innerlicher Musik. Diesem späten Stil gehört auch sein Violinduo, dem der Komponist neben der musikalischen eine räumliche und performative Dimension hinzufügt. Das Duo Zwischen spielt das Stück von mindestens sechs verschiedenen Positionen aus und bewegt sich im Laufe der Zeit suchend von einer zur anderen.

Neben das Violinduo von Luigi Nono stellt das Duo die Stücke dreier Komponistinnen und Komponisten, deren Schaffen stark von ihren Reise- und Fluchterfahrungen geprägt ist. Darunter als bekanntestes Beispiel Béla Bartók. Der ungarische Komponist sammelte auf seinen vielen Reisen durch Osteuropa zehntausende Volksmelodien und leistete damit maßgebliche Beiträge zur musikethnografischen Forschung. Die gesammelten Klänge und Erfahrungen machte er zu den Ausgangspunkten seiner Werke. In besonderem Maße ist dies der Fall bei den 44 Duos für zwei Violinen, die auf Melodien aus der Slowakei, Ungarn, Ruthenien und anderen osteuropäischen Ländern basieren. 1940 fühlte Bartok sich aufgrund des Faschismus in Europa genötigt, in die USA zu emigrieren, wo er bis zum Ende seines Lebens blieb.

Ursula Mamlok machte früh die Erfahrung, ihre Heimat verlassen zu müssen. Bereits mit 16 Jahren musste die Berlinerin jüdischer Abstammung mit ihren Eltern vor den Nationalsozialisten fliehen und gelangte nach Ecuador. Dort blieb sie allerdings nur kurz: Schon bald nach der Überfahrt bewarb sie sich mit Erfolg für ein Stipendium an der Mannes School of Music in New York. Und so machte sie sich mit 17 Jahren erneut auf den Weg, diesmal allerdings in Richtung USA – allein und ohne Englischkenntnisse. Von der neuen Heimat Amerika erzählt ihr Stück From my garden für Violine solo, das vom außergewöhnlich schönen Garten ihres Sommerdomizils in Kalifornien handelt. Nach dem Tod ihres Mannes entschied sich Ursula Mamlok 2006, zurück in ihre Geburtsstadt Berlin zu ziehen, wo 2009 das fünfsätzige Stück Aphorisms I entstand.

1926 emigrierte der 10-Jährige Mordecai Seter aus Russland ins damalige Palästina. Zwischen 1932 und 1937 verließ er auch dieses Land und studierte in Paris bei Paul Dukas und Nadja Boulanger Komposition. In der außergewöhnlichen und von Gewalt geprägten Situation in Palästina und später in Israel entfaltete der Komponist durch sein künstlerisches Schaffen und seine Lehrtätigkeit eine prägende Wirkung auf das Musikleben. Dabei suchte er nach Musik, die eine israelische Identität aufzeigen könnte. Die starken jiddischen Einflüsse sind auch im 4. Satz der Sonata for two Violins zu hören.

In beeindruckend hellsichtigen Texten führt der Stuttgarter Komponist Helmut Bornefeld Kunst und Musik gegen den “Gesinnungs- und Konsumterror” ins Feld. Dabei wird deutlich, dass er sein Schaffen als eine Suche nach existenzieller Freiheit verstand. Er verstand Musik als Möglichkeit, kollektives Träumen zu realisieren und sich nicht mit den vorherrschenden Begebenheiten zu begnügen. Der Stuttgarter kam über Umwege zur Musik. Die Ächtung der Nationalsozialisten zwang ihn dazu, sich zeitweise der Kirchenmusik zu verschreiben. Als Kantor von Heidenheim an der Brenz setzte er sich über seine eigenen Werke hinaus für neue Musik ein und schuf mit den Bornefeldorgeln eine einzigartige Orgellandschaft.

Das Duo Zwischen hat sich im Jahr 2022 an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart gegründet. Aus der Erfahrung mit dem großartigen Repertoire für zwei Violinen ist der Wunsch entsprungen, sich dieser Gattung ausführlich zu widmen und dabei interdisziplinäre Formate zu erkunden. 2025 gewann das Duo Zwischen beim Hugo-Wettbewerb der Montforter Zwischentöne für innovative Konzertformate den 2. Preis.

Robert Rülke widmet sich als Geiger einem breiten Spektrum von Musik, das von Komponistinnen und Komponisten wie Thomas Morley bis zu zeitgenössischen Uraufführungen reicht. Sein Studium absolvierte er bei Jutta Rübenacker an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover und Kolja Lessing an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart, wo er 2024 das Masterstudium mit Auszeichnung abschloss.

Schon vor dem Studium entwickelte Robert Rülke eine besondere Faszination für die Intensität reduzierter Besetzungen. Dies spiegelt sich in seiner intensiven Auseinandersetzung mit dem Repertoire für Streichquartett, Streichtrio, Violinduo und Violine solo wider und führte zu Auftritten bei namhaften Festivals wie dem Heidelberger Frühling, dem tonART Festival Esslingen oder den Thüringer Bachwochen.

Zeitgenossenschaft ist für Robert Rülke ein wichtiges Thema, das sich nicht nur in seinem breiten Repertoire für die Violin- und Kammermusikliteratur der Gegenwart ausdrückt. Darüber hinaus engagiert er sich auch in künstlerisch-politischen Kontexten. So gehört er zu den maßgeblichen Initiatoren der Wiederaufnahme der Klimabühne der HMDK Stuttgart. 2023 war er #MusikerZukunft-Stipendiat bei der Deutschen Orchester-Stiftung mit einem Projekt zu der jüdischen Exil-Komponistin Ursula Mamlok.

Annika Spegg ist Musikerin und interdisziplinäre Künstlerin. Parallel zum Geigenstudium an der Freiburger Musikhochschule absolvierte sie ein Studium der Germanistik und Philosophie und ist aktuell an der Hochschule für Musik und Theater Leipzig im Master Dramaturgie eingeschrieben. Zuvor studierte sie im Master Violine an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart bei Prof. Nurit Stark, wo sie sich verstärkt der Neuen und der Alten Musik zuwendete und 2024 mit Auszeichnung abschloss. Orchesterengagements führten sie an die Staatsoper Stuttgart, das Gewandhaus zu Leipzig, das Stuttgarter Kammerorchester und das Ensemble Resonanz Hamburg. Eigene Musiktheater-Produktionen, in denen sie als Dramaturgin, Darstellerin und Geigerin eingebunden ist, entstehen seit 2022. An der HMDK Stuttgart übernahm sie zwischen 2022 und 2024 mit Robert Rülke leitende Funktionen in der Klimabühne, einem interdisziplinären Format, das nach künstlerischen Antworten auf den Klimawandel sucht. Seit 2024 ist sie Stipendiatin der Akademie Musiktheater heute. 2025 erhielt sie das #MusikerZukunft-Stipendium der Deutschen Orchester-Stiftung für das feministische Kammermusiktheater Faust.Margarete.

Das Konzert mit dem Duo Zwischen am 26.10.2025 findet in der Kirchberger Johanniskirche statt und beginnt um 17 Uhr. Der Eintritt ist frei, Spenden sind willkommen.

Foto: Duo Zwischen
Fotografin: Lotte Bröcker